
Erzgebirgskamm am kleinen
Kranichsee

Moorgebiet am Filzteich und
Stockteich
Muldetal bei Aue
Tal der großen Bockau
Steinbergwiesen
und Seifenbachtal
Wiesen um
Halbmeil und Breitenbrunn

Im
Westerzgebirge dominieren monotone Fichtenforste 
Von
Natur aus würden Buchenwälder wachsen 
Seltener
Borstgrasrasen |
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Einleitung
Wir
freuen uns, Ihnen etwa zwei Jahre nach den „NATURA 2000-Touren im
Westerzgebirge“, bei denen es in acht Wandertouren durch den sächsischen Teil
des Westerzgebirges geht, nun die "Grenzübergreifenden NATURA
2000-Touren" mit einer weiteren Broschüre zum kennen lernen des
europäischen Schutzgebietessystems anbieten zu können. Wir sind in der
Zwischenzeit noch „europäischer“ und noch mobiler geworden, es geht auf
dem Fahrrad zu unseren Nachbarn, die mittlerweile auch der EU angehören. Auf
vier Fahrradtouren durch das böhmische und sächsische Westerzgebirge lernen
wir FFH- und Vogelschutzgebiete beiderseits der Grenze kennen, Bestandteile
einer sehr reizvollen und liebenswerten Landschaft.
Es
geht also wieder um das Schutzgebietssystem der Europäischen Union, das wir
Ihnen etwas näher bringen möchten und zwar an Hand einer typischen deutschen
Mittelgebirgslandschaft, dem Westerzgebirge. Sie können diese Region
sozusagen einmal unter dem „europäischen Blickwinkel“
betrachten. Natürlich werden wir Sie naturgemäß eher durch
"schöne Gegenden" führen, denn landschaftliche Schönheit ist oft
eng gekoppelt mit Artenreichtum und hohem Naturschutzwert. Aber Sie werden
auch schnell feststellen, dass Sie sich nicht durch eine heile Welt bewegen.
Wie in vielen Regionen Europas liegt so manche Gefährdung und auch so mancher
Schandfleck am Wegesrand oder zumindest in Sichtweite und auch das wollen wir
nicht übergehen.
Wir
wünschen viel Freude beim kennen lernen des oberen Westerzgebirges und seiner
Bedeutung für den europäischen Naturschutz und hoffen, dass Sie das
wichtigste Gebot unserer Zeit, unbedingt verantwortungsbewusster mit unserem
Naturerbe umzugehen, von der persönlichen bis zur globalen Ebene, in Zukunft
noch tatkräftiger unterstützen werden.
NATURA
2000- Touren im Westerzgebirge
„NATURA 2000", das hört sich gut an,
jedenfalls besser als „Agenda 2010" oder „Hartz IV". Aber im
Gegensatz zu den letztgenannten Begriffen wissen nur wenige, was sich
dahinter verbirgt. Dass es etwas mit Natur zu tun hat, kann man erahnen
und damit liegt man auch goldrichtig, denn hinter diesem Namen steckt
nicht weniger als das Schutzgebietssystem der Europäischen Union.
Dazu bieten wir Ihnen acht Wanderungen durch unsere Region an, bei denen
Sie einen kleinen Ausschnitt dieses europaweiten ökologischen Netzes
erwandern und damit näher kennen lernen können.
Was ist NATURA 2000?
Bevor es auf Wanderschaft geht, wollen wir noch
einige naturschutzfachliche Erläuterungen zu diesem ökologischen
Netzwerk in Europa machen, die für den angestrebten „europäischen
Blick", den Sie von Zeit zu Zeit auf den Wanderungen werfen sollen,
notwendig sind.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
besitzen ein ungemein reiches Naturerbe. Schon in den 15 Staaten des „alten
Europa" gibt es mehrere Tausend Lebensraumtypen, in denen unter
anderem 150 Säugetier-, 520 Vogel-, 10000 Pflanzen- und über 100000
Wirbellosenarten leben. Durch den Beitritt weiterer 10 Staaten im Jahr
2004 hat sich diese Bilanz noch einmal erheblich erhöht. Aber dieser
Reichtum ist gefährdet, innerhalb weniger Jahrzehnte hat die
Intensivierung vieler menschlicher Tätigkeiten zur Zerstörung und
Zerstückelung bzw. Beeinträchtigung vieler Lebensräume und damit zu
einem drastischen Rückgang vieler Arten, auch von einstigen „Allerweltsarten",
geführt. Einige Arten sind unwiederbringlich verloren.
Natürliche Lebensräume, wenn man im strengen Sinne
des Wortes überhaupt noch von solchen sprechen kann, und auch sogenannte
„naturnahe" Lebensräume sind rar geworden. Landschaften, in denen
der Anteil solcher Lebensräume noch relativ hoch ist, werden heute oft
als „Kulturlandschaften" bezeichnet, womit man sozusagen zum
Ausdruck bringen will, dass sie zwar mehr oder weniger stark vom Menschen
geprägt, aber doch noch einigermaßen intakt sind. Hier spielen sicher
individuelle Sichtweisen und der persönliche Geschmack eine Rolle und die
Geschmäcker sind verschieden. Es soll ja auch Leute geben, die gern im
Stau stehen, das Geräusch von Motorsägen lieben, gerne Marmeladenbrot
mit Zwiebel essen. Allerdings scheint man sich bei der Beurteilung von
Landschaften doch noch einigermaßen einig zu sein. Für die Rhön, die
Abruzzen oder das Schottische Hochland hat man gegen den Begriff
Kulturlandschaft kaum etwas einzuwenden, solche Regionen besucht und
durchwandert man gerne. Beim Frankfurter Kreuz hätten die meisten wohl
Probleme mit diesem Begriff, jedenfalls werden Wanderer dort eher selten
gesehen.
Von Seiten der Europäischen Union bemüht man sich
unter dem Namen „NATURA 2000" ein ökologisches Netzwerk von
ausgewählten, wertvollen Gebieten zu schaffen, um die biologische
Vielfalt zu erhalten und typische europäische Natur- und
Kulturlandschaften zu bewahren. Dazu wurden zwei Richtlinien erlassen. Die
„Vogelschutzrichtlinie" (1979) dient speziell dem langfristigen
Schutz und Erhalt wildlebender Vögel und deren Lebensräumen. Für 181
Vogelarten, die auf Grund ihres geringen Bestandes bzw. ihrer begrenzten
Verbreitung bedroht sind, gelten besondere Schutzmaßnahmen. In der „Fauna-Flora-Habitat
(FFH)-Richtlinie" (1992) wurden 200 besonders gefährdete
Lebensraumtypen, sogenannte FFH-Lebensraumtypen, sowie rund 200 Tier- und
über 500 Pflanzenarten von gemeinschaftlicher Bedeutung benannt, für die
von den Mitgliedsstaaten Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Hierbei
handelt es sich um Lebensraumtypen, deren Verbreitungsgebiet sehr klein
oder stark zurückgegangen ist (Moore, Heiden etc.) bzw. um für eine der
sechs biogeographischen Regionen Europas außerordentlich repräsentative
Lebensräume. Unter den aufgeführten Lebensraumtypen befinden sich sowohl
natürliche Lebensräume, für die eine weitgehend vom Menschen
unbeeinflusste Entwicklung anzustreben ist, als auch naturnahe
Lebensräume, die auf eine regelmäßige, aber extensive Nutzung
angewiesen sind. Für besonders gefährdete (prioritäre) Lebensräume und
Arten müssen besonders dringliche Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Die Ausweisung von FFH-Gebieten ist mit bestimmten
Anforderungen verbunden, für
deren Einhaltung die Mitgliedsstaaten verantwortlich sind. Beispielsweise
muss eine Verschlechterung der Gebiete verhindert werden, es müssen
Bewirtschaftungspläne erarbeitet und bei bestimmten Vorhaben
FFH-Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Bei der Bewirtschaftung von FFH-Gebieten sollen die
Fischer, Forst- und Landwirte als Partner des Naturschutzes gewonnen
werden. Dazu stehen von der EU kofinanzierte Förderprogramme zur
Verfügung. Die Ausweisung von FFH-Gebieten kann also auch mit
finanziellen Vorteilen für die in der Region arbeitenden Menschen
verbunden sein.
Naturraum Erzgebirge/Westerzgebirge
Das Erzgebirge an der Grenze von Sachsen und
Tschechien ist ein Pultschollengebirge, das vom Kamm her nach Norden hin
allmählich und nach Süden hin steil abfällt. Mit 125 km Länge und 35
km Breite ist es eines der größten Mittelgebirge in Deutschland.
Die höchsten Berge sind der Keilberg (1244 m), der
Fichtelberg (1214 m) und der Auersberg (1018 m). Seinen Namen und seine
Besiedlung ab dem 12. Jahrhundert verdankt das Gebirge seinem Erzreichtum,
der dazu führte, dass es auch heute noch als das am dichtesten besiedelte
der Welt gilt.
Das Westerzgebirge fällt auf durch die kleineren
Hochflächen und die besonders starke Gliederung, den höchsten Waldanteil und die geringsten
Waldschäden. Am geologischen Aufbau sind vorwiegend Granit, Phyllit und
Glimmerschiefer beteiligt. Das Klima in den Kammlagen ist rau, allerdings
ist die früher gebrauchte Bezeichnung „Sächsisches Sibirien"
nicht nur leicht übertrieben. Niederschlagsmengen von je nach Höhenlage leicht über oder unter 1000 mm
und Jahresdurchschnittstemperaturen von um die 6 Grad haben trotzdem zu
einer typischen Vegetation geführt, deren Hauptmerkmal wohl der hohe
Waldanteil ist, der um die 60 Prozent liegt und in manchen Gemarkungen der
Kammlagen sogar um die 90 Prozent erreicht. Es dominieren eindeutig die
Fichtenmonokulturen, nur in den Höhenlagen finden sich Reste naturnaher
montaner Fichtenwälder und zwischen 500 und 800 m stocken an den
Steilhängen der Täler Reste von montanen Buchenwäldern, die von Natur
aus den weitaus größten Teil des Erzgebirges bedecken würden.
Bemerkenswert sind die wertvollen erzgebirgischen Hochmoore, vorwiegend in
den Kammregionen. Die Landwirtschaft, die auf etwa einem Viertel der
Fläche wirtschaftet, betreibt sowohl intensiven Ackerbau als auch
intensive Grünlandwirtschaft. Mit zunehmender Höhenlage gewinnt die
Grünlandwirtschaft an Bedeutung und wird extensiver betrieben. Dies geht
damit einher, dass man dort noch vermehrt solche landschaftlichen Kleinode
wie Bergwiesen und Borstgrasrasen findet und auch wertvolle Weideflächen.
Auch die Bedeutung der Landschaftspflege wächst mit zunehmender Höhe.
Sie trägt maßgeblich zum Erhalt der offenen Kulturlandschaft und seiner
Elemente bei, schwerpunktmäßig zum Erhalt und zur Wiederherstellung
wertvollen Grünlandes. Die Landschaftspflege hat damit auch eine große
Bedeutung für das ökologische Netzwerk NATURA 2000, wie Sie an vielen
konkreten Beispielen auf den Wanderungen feststellen werden.
Möglich
wurden die Projekte „NATURA 2000-Touren im
Westerzgebirge“ und „Grenzübergreifende
NATURA 2000-Touren im böhmischen und sächsischen Westerzgebirge“ durch die finanzielle Unterstützung
des Naturschutzfonds der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt, bei der
wir uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken möchten, unser Dank gilt
auch dem Zweckverband Naturpark Erzgebirge/Vogtland für seine
Unterstützung.
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